Seit seinem Amtsantritt im Januar verfolgt Präsident Donald Trump im Rahmen seiner ersten Handelsstrategie wirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen, die darauf abzielen, inländische Industrien, Arbeitnehmer und wirtschaftliche Interessen gegenüber internationaler Zusammenarbeit oder multilateralen Handelsabkommen zu priorisieren. Diese Maßnahmen, zu denen umfangreiche und weitreichende Zölle gehören, sollen das Handelsdefizit der USA verringern, unfaire Handelspraktiken bekämpfen, die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Unternehmen stärken, die inländische Produktion fördern und die nationale Sicherheit stärken.
Auf nationaler Ebene waren die Reaktionen breit gefächert: von feurigem Enthusiasmus bis hin zu heftigen Rechtsstreitigkeiten. Auf internationaler Ebene sind die Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern angespannter als zuvor. Warren Buffett betrachtet die Zölle sogar als Kriegserklärung. Die meisten Länder führen die Verhandlungen mit dem Präsident Trump vorsichtig weiter, in der Hoffnung eine „win-win“ Situation zu erreichen. China, das am stärksten von den US-Zöllen betroffen ist, reagierte mit Vergeltungszöllen, einer umfassenden geopolitischen Neuausrichtung, Maßnahmen zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft, technologischer Entkopplung sowie einer Innovationsoffensive zur Selbstversorgung in strategisch wichtigen Industrien.
Angesichts der unklaren Entwicklung der Zollpolitik erwägen Unternhemen in allen Wirtschaftsbereichen verschiedene Szenarien und bereiten ihre nächsten Schritte vor. Einige zögern, kurzfristige Änderungen in der Produktion vorzunehmen oder die Verkaufspreise in den USA aufgrund der Zölle zu erhöhen. Andere hingegen sind stark betroffen und gezwungen, sofortige Änderungen an ihren Geschäftsplänen vorzunehmen.
In diesem Artikel erläutern wir zunächst die zugrunde liegenden rechtlichen Grundlagen verschiedener aktueller Zollmaßnahmen, rechtliche Herausforderungen der präsidialen Befugnisse sowie Möglichkeiten, diese Entwicklungen nachzuverfolgen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Nationaler Notstand und die IEEPA Zölle
Die Verfassung der Vereinigten Staaten weist dem Kongress die ausschließliche Zuständigkeit für den Außenhandel und die Besteuerung zu. Im Laufe der Zeit hat der Kongress jedoch bedeutende Befugnisse an den Präsidenten der Vereinigten Staaten delegiert, um den internationalen Handel zu regulieren. Eine der Rechtsgrundlagen ist das Internationale Notstandswirtschaftsgesetz (IEEPA) von 1977, das dem Präsidenten die Befugnis gibt, eine „nationale Notlage“ auszurufen, um einer „ungewöhnlichen oder außergewöhnlichen“ ausländischen Bedrohung der nationalen Sicherheit, der Außenpolitik oder der Wirtschaft Amerikas zu begegnen.
Am 20. Januar 2025, seinem ersten Amtstag, erklärte Präsident Trump einen nationalen Notstand „an der südlichen Grenze“ und verwies auf die Bedrohung durch Kartelle, Migration und Drogen. Mit der Ausrufung eines solchen Notstands gewährt das IEEPA dem Präsidenten weitreichende Notstandsbefugnisse, einschließlich der Befugnis, die Einfuhr von „jeglichem Eigentum“, das mit dem vorliegenden Notfall in Verbindung steht, zu „regulieren“. Präsident Trump beschloss, dass dies auch die Erhebung von Zöllen umfasse.
In Ausübung der Befugnis nach dem IEEPA erließ Präsident Trump am 1. Februar 2025 drei Präsidialverordnungen, die Zollmaßnahmen gegen Kanada, Mexiko und China verhängten; dies ist das erste Mal, dass ein Präsident das IEEPA nutzte, um Zölle als Reaktion auf einen nationalen Notstand zu verhängen. In den darauffolgenden Wochen und Monaten kündigte Präsident Trump Änderungen zu den folgenden Themen an: Höhe der Zölle, betroffene Länder und Waren, und das Gültikgkeitsdatum. Die Änderungen galten als Teil seiner Verhandlungsstrategien.
Nach den IEEPA Vorschrifften kann Präsident Trump diese Zölle so lange aufrechterhalten, bis er der Meinung ist, dass die zugrundeliegende Krise überwunden ist. Der Kongress hat jedoch das Recht, den Ausnahmezustand gemäß dem National Emergencies Act (NEA) zu beenden. Hierzu benötigt der Kongress entweder die Zustimmung des Präsidenten oder eines vetosicheren gemeinsamen Beschlusses (jeweils Zwei-Drittel-Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat).
Unter den IEEPA Vorschrifften hat Präsident Trump Vergeltungszölle gegenüber einer Vielzahl von Ländern eingeführt, darunter China, Vietnam, die Europäische Union und Indien. China war zeitweise einem kombinierten Zollsatz von bis zu 145 %, einschließlich eines 125 %-igen Vergeltungszolls und eines zusätzlichen 20 %-igen „Fentanyl-Zolls“ ausgesetzt. Am 12. Mai wurden viele der höheren Vergeltungszölle für 90 Tage vorübergehend ausgesetzt, einschließlich der Zölle gegen China, um Verhandlungen zu ermöglichen. In diesem Zeitraum blieb der 10 %-ige universelle Zollsatz weiterhin in Kraft.
Während der Fokus größtenteils immer noch auf China lag, eskalierte Präsident Trump am 23. Mai 2025 den Handelskonflikt mit der Europäischen Union (EU), indem er drohte, einen 50 %-igen Zoll auf sämtliche Produkte aus der EU zu verhängen. Als Begründung nannte er die europäische Handelspolitik und die bürokratischen Hindernisse für amerikanische Firmen in der EU. Donald Trump betonte den Handelsüberschuss der EU gegenüber den USA, der 2024 bei 235,6 Milliarden Dollar lag, und forderte erhöhte Importe amerikanischer Energie und Industriegüter durch den europäischen Markt.
Zusätzliche Unsicherheit entstand durch ein Urteil vom 28. Mai 2025: Ein dreiköpfiges Richtergremium des US-amerikanischen Internationalen Handelsgerichts hob bestimmte Zölle, die unter dem IEEPA verhängt wurden, durch ein Urteil auf und untersagte deren Vollstreckung dauerhaft. Präsident Trump legte umgehend Berufung ein. Es wird erwartet, dass die endgültige Entscheidung über den Umfang der präsidialen Befugnisse unter dem IEEPA letztlich durch den U.S. Supreme Court getroffen wird.
Erhöhte Bedrohung der nationalen Sicherheit und Zollsektion
Abschnitt 232 des „Trade Expansion Act von 1962” ermöglicht es Präsident Trump, Zölle oder Importquoten zu erheben, falls das importierte Produkt die nationale Sicherheit der USA gefärdet. Um neue Zölle zu erlassen, muss das US-Handelsministerium (Department of Commerce, DOC) eine Untersuchung einleiten und innerhalb einer Frist von 270 Tagen nach Beginn der Untersuchung einen Bericht an den Präsidenten übermitteln. Nach Erhalt des Berichts kann der Präsident Maßnahmen ergreifen. Abschnitt 232 erlaubt es dem Präsidenten auch, bestehende Zölle zu verändern.
Am 12. März 2025 änderte Präsident Trump gemäß den Proklamationen 10895 und 10896, die bestehenden Zölle nach Abschnitt 232 auf Stahl und Aluminium und führte Zölle in Höhe von 25 % auf Stahl, Aluminium und andere daraus abgeleiteter Produkte aus allen Herkunftsländern ein (alle bestehenden Länderbefreiungen oder Quoten wurden beendet). Am 26. März 2025 verhängte Präsident Trump gemäß seiner Proklamation 10908 zusätzliche Zölle auf alle Importe bestimmter Personenkraftwagen, leichter Nutzfahrzeuge sowie KfZ-Teile.
Um neue Zölle gemäß Abschnitt 232 zu prüfen, wies Präsident Trump das US-Handelsministerium (DOC) zudem an, die nationalen Sicherheitsrisiken einer stetig wachsenden Liste von Waren zu prüfen, von denen er glaubt, dass sie die nationale Verteidigungsfähigkeit, den Ausbau und die Entwicklung der Infrastruktur oder die technologische Innovationskraft der USA gefährden könnten. Untersuchungen begannen mit Kupfer und dessen derevativen Produkten. Kurz darauf folgten Holz, Bauholz und daraus abgeleitete Produkte, Halbleiter und Halbleiterfertigungsgeräte sowie daraus abgeleitete Produkte, Pharmazeutika und pharmazeutische Wirkstoffe, Nutzfahrzeuge mittlerer Größe, schwere Nutzfahrzeuge sowie Teile von mittleren und schweren Nutzfahrzeugen, verarbeitete kritische Mineralien und daraus abgeleitete Produkte sowie kommerzielle Flugzeuge und Düsentriebwerke und deren Bestandteile. Sobald dem Präsidenten die jeweiligen Berichte vorliegen, kann er Zölle verhängen, in der Regel in Höhe von mindestens 25%, wie er angekündigt hat.
Neben der Änderung bestehender Zölle und der Einleitung neuer Untersuchungen enthalten die Proklamationen zu Stahl und Aluminium nach Abschnitt 232 auch eine Anweisung an die US-Zollbehörde (Customs and Border Protection, CBP), die Klassifizierung der betroffenen Importgüter vorrangig zu überprüfen. Sollte der CBP eine falsche Klassifizierung entdecken, die zur Nichtzahlung der Stahl- oder Aluminiumzölle gemäß Abschnitt 232 führen könnte, soll der CBP Geldstrafen in höhe der maximalen vom Gesetz erlaubten Höhe verhängen – mildernden Faktoren sollen im Rahmen der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Diese Entscheidung stellt eine Neuerung innerhalb der Zollmaßnahmen dar und wird voraussichtlich zu einer verstärkten Durchsetzung durch den CBP führen.
Weitere handelspolitische Instrumente
Zu den weiteren vom Präsidenten identifizierten handelspolitischen Instrumenten gehören 100 %ige Strafzölle auf Importe aus den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), falls diese sich vom US-Dollar als Leitwährung abwenden sollten. Darüber hinaus hat er angekündigt, in Erwägung zu ziehen, den Kongress zu bewegen, Chinas Status als Permanent Normal Trade Relations (PNTR) aufzuheben. Dies würde zur Folge haben, dass auf chinesische Produkte wieder die regulären, deutlich höheren Zollsätze Anwendung finden könnten, in manchen Fällen bis zu 100 %.
Wie behält man den Überblick?
Selbst erfahrene Fachleute haben Schwierigkeiten, mit all den Änderungen Schritt zu halten. Um informiert zu bleiben, sollte man jeden Tag die aktuelle Lage prüfen, prüfen und erneut prüfen. Folgende Seiten sollte man dabei im Blick haben: (1) Präsident Trumps Truth Social Konto (https://truthsocial.com/@realDonaldTrump), (2) die Website des Weißen Hauses (https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/), (3) die Website des Federal Register (https://www.federalregister.gov/), (3) die Website des U.S. Customs and Border Protection (CBP) (https://www.cbp.gov/trade/automated/cargo-systems-messaging-service), und (4) die CBP Trade Remedies Website (https://www.cbp.gov/trade/programs-administration/trade-remedies). Ein besonderes Augenmerk sollte man dabei etwa auf neue Zölle, Änderungen, Ausnahmen, Zollstapelung, Rückerstattungsmöglichkeiten legen. Angesichts laufender Gerichtsverfahren und Berufungen, ist heute mehr denn je sorgfältige Beobachtung und Bewertung erforderlich.
Reaktion der Lieferkette – proaktiv handeln– Proaktiv sein.
Im Folgenden sind verschiedene Maßnahmen aufgeführt, mit denen die Auswirkungen der neuen Zollära abgemildert oder gesteuert werden können:
• Lieferverträge: Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Verträge und arbeiten Sie mit Ihren Partnern in der Lieferkette zusammen, um Klauseln auszuhandeln, die deutlich sind aber auch ausreichende Flexibilität gewährleisten.
• Zolltarifnummern (Tarifklassifizierung): Verwenden Sie die korrekte Zolltarifnummer. Importeure können nicht einfach den Harmonisierten Zolltarif (HTS)-Code ihrer Wahl auswählen (z. B. den HTS-Code mit dem niedrigsten Zollsatz). Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr importierter Artikel den falschen HTS-Code mit einem höheren Zollsatz verwendet, können sie für künftige Importe eine verbindliche Zolltarifauskunft beantragen oder Einsprüche gegen vergangene Importe einlegen.
• Zollbewertung: Geben Sie den korrekten Warenwert an, damit die US-Zollbehörde (Customs and Border Protection, CBP) die fälligen Zölle richtig erheben kann. Die CBP bevorzugt die Angabe des „Transaktionswert“, der den tatsächlichen Preis darstellt, der beim Verkauf in die USA bezahlt oder zahlbar ist.
• Ursprungslandstrategie: Analysieren Sie, ob durch eine Verarbeitung in einem Drittland eine sogenannte „wesentliche Veränderung“ (substantial transformation) stattgefunden hat, also eine Umwandlung in ein neues Produkt mit anderer Bezeichnung, Funktion oder Verwendung. Länder mit einem günstigeren Ursprung sind solche, die nicht von Handelsschutzmaßnahmen oder Sonderzöllen betroffen sind oder mit den USA ein Freihandelsabkommen abgeschlossen haben, das zu reduzierten Zöllen oder zollfreier Einfuhr führt.
• Befreiungen: Prüfen Sie, ob für Ihre Produkte Ausnahmeregelungen bestehen, und wenden Sie diese korrekt an.
• Freihandelszonen (FTZs): Diese Sonderzonen befinden sich in oder nahe von Zollhäfen, gelten aber für Zwecke des Zollrechts und der CBP-Verfahren als außerhalb des US-Zollgebiets. Sie ermöglichen einen Aufschub (nicht aber die Vermeidung) von Zöllen, die Zölle und neuen Tarife werden fällig, sobald die Waren in den US-Warenverkehr überführt werden.
• Lobbyarbeit: Lobbyarbeit bei dem US-Kongress und den Verwaltungsbehörden kann eine Möglichkeit sein, alternative Lösungen oder Ausnahmen im Zusammenhang mit Zollmaßnahmen zu erreichen.
Dieser Artikel sollte nicht als rechtliche Beratung oder rechtliche Stellungnahme zu spezifischen Fakten oder Umständen ausgelegt werden. Der Inhalt dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken, und es wird empfohlen, dass Sie sich bei spezifischen rechtlichen Fragen, die Ihre Situation betreffen, an Ihren eigenen Anwalt wenden.
Kontaktieren Sie für weitere Informationen Timo Rehbock von Barnes & Thornburg unter +1 312-214-4592 oder per E-Mail trehbock@btlaw.com.